Judenburg, 01. Juli 1968

«Ich sitze allein auf einem großen Felsblock und denke an Dich. Das ist, seit ich Dich das erste Mal sah, meine Lieblingsbeschäftigung.»

Köflach, 09. Juli 1968

«Wieviele Kreuzottern haben Dich schon gebissen? (pardon – ich werde schon wieder zynisch)»

Seetaler Alpe, 29. Juli 1968

«Liebling, kannst Du mir bitte erklären, warum jede Woche einen Montag hat, – und warum nicht jeder Tag so wunderschön (mit Dir) sein kann, wie Samstag, Sonntag??»

Graz, 07. Juli 1968

«Mit Grausen denke ich an die Abfahrt nach ‹Good Old England›. Thomas, du weißt, dass ich Dich sehr gern habe, und Dich nach Möglichkeit nie mehr verlieren möchte.»

Graz, Gablenz-Kaserne, 20. September 1968

«Ich denke immer wieder daran, wie ich wie magisch auf die große Bahnhofsuhr starrte, an den letzten Kuss, wie Du eingestiegen bist.»

Green Forest, 24. September 1968

«Den English boys kann ich den Kopf nicht verdrehen, weil es hier weit und breit keine gibt. Manchmal kommt mir vor, als gäbe es hier nur mehr ein Geschlecht. Terrible! Dieses Green Forest ist ein uraltes Haus, in das es hereinregnet, falls ein Regenschauer länger als 10 Minuten dauert.»

Green Forest, 04. Oktober 1968

«Es klingt so lieb naiv wenn Du schreibst, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir uns wieder sehen. Jetzt bin ich erst 5 Wochen in England und es kommt mir vor, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier. Von den kommenden 2 ½ Monaten will ich gar nicht reden.»

Green Forest, 22. Oktober 1968

«Dear Sir, please tell me, welche Platten ich Dir aus ‹Hot London› mitnehmen soll. Wie gefällt Dir Dean Martin?»

Graz, 28. Oktober 1968

«Es ist einfach fürchterlich Liebling, am Morgen, Mittags, oder am Abend, ich denke an Dich. Wenn ich nach Hause komme und ein Brief ist von Dir da, bin ich sehr sehr glücklich und öffne ihn mit zittrigen Händen. (Ja, ja, so schlecht steht’s um mich!!)»

Green Forest, 31. Oktober 1968

«Ich kann nicht verlangen, dass Du Dich noch länger an einen kranken Menschen gebunden fühlst. Verzeih mir bitte, dass ich erst jetzt den Mut aufgebracht habe, Dir das zu sagen.»

Graz, 04. November 1968

«Liebling, glaubst Du denn, dass meine Liebe zu Dir beim ersten Problem zerbricht? Hast Du denn wirklich nie mehr Vertrauen zu mir gehabt?»

Green Forest, 07. November 1968

«Als ich heute Deinen Brief bekommen habe, hätte ich am liebsten geweint vor Glück. Ich weiß nicht, ob Du Dir vorstellen kannst, was ich die letzten Tage (bis heute) ausgestanden habe.»

Graz, 12. November 1968

«Liebling, wenn ich mir vorstelle, dass Du in 5 Wochen bei mir bist, dass ich am Flugplatz stehen werde, Schnee wird fallen, ich werde schon 1 Stunde vor Ankunft Deiner Maschine am Airport sein, einen Kaffee trinken, um die Vorfreude des Wiedersehens noch einmal auszukosten...»

Graz, 03. März 1969

«Weiters möchte ich für uns 2 eine (zumindest am Anfang) kleine Wohnung organisieren. Was hältst Du von dieser Idee Liebling? Stelle Dir vor, irgendwo in Mariatrost so eine kleine Wohnung und nur Du und ich. Gerli, ich werde ganz verrückt bei diesem Gedanken. Am Sonntag (das möchte ich ausdrücklich festhalten) koche ich das Frühstück. Einverstanden?»

Green Forest, 06. März 1969

«Du hast die Gabe, mich immer wieder aufs Neue zu überraschen. Ich glaube, Du weißt, wie sehr ich schnelle Entschlusskraft schätze, und solange ich Dich kenne – olala, das sind ja schon mehr als 8 Monate – kann ich mich an keinen Fehlentschluss erinnern.»

Green Forest, 14. März 1969

«Kennst Du das Musical ‹Hair›? ‹I got my life› und ‹Der Wassermann› sind songs aus Hair. Bloody cool this record! Mein Wortschatz im Fluchen und – oh pardon – unanständigen englischen Worten beginnt sich langsam zu vergrößern.»

Austrian Catholic Centre, 12. April 1969

«Auch mir scheint es oft unwahrscheinlich, dass es ein derartiges Fühlen gibt. Das Schwere ist, dass ich mit niemandem darüber reden kann, weil die wenigsten Menschen diesem Gefühl begegnet sind und es sich darum auch kaum vorstellen könnten. Der Trend unserer Zeit neigt außerdem dazu, Gefühle zu verbergen oder überhaupt zu unterdrücken, weil es angeblich nicht angebracht ist für einen modernen Menschen, diese Sorge, Liebe usw. für einen anderen zu zeigen.»

Graz, 12. Mai 1969

«Wegen Deinem (gefährlichen) Papa würde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen, Schatz, denn nach dem Urlaub werden wir (hoffentlich) eine Erklärung (ihm gegenüber) abgeben müssen. Und verlass Dich auf mich, ich werde es managen und zwar so, dass ich Dich nie mehr (sofern Du es nicht willst) hergebe.»

Green Forest, 11. Juni 1969

«Mein lieber Bär: warum in London noch nicht beisammen, hat einen durchaus weiblichen Grund. Da Du angeblich so wenig Intelligenz besitzt (Du alter Komplimentenjäger), wirst Du mich sicher verstehen.»

Graz, 16. Juli 1969

«Wenn ich daran denke, dass das mein letzter Brief an Dich ist, süße Grizzlyfrau, durchströmt mich ein himmlisches Glücksgefühl! Nächste Woche kommt anstatt des Briefs, ein großer sehr, sehr verliebter Junge aus good old Graz zu Dir Schatz.»

Green Forest, [Telegramm], 22. Januar 1970

«We will certainly be thinking of you on the 14th of February.»

Gelesen von:

Karin Lischka, Markus Schöttl und Kirt J. Dennis

Gesamtdauer:

39'48''

Kommentar von Gerlinde (2006): «Ich habe mich 1968 nach der Matura nach England begeben, um in einer Privatschule als Au-Pair-Girl verschiedene Prüfungen zu absolvieren. Mein Freund und künftiger Ehegatte befand sich während dieser Zeit als Präsenzdiener u.a. auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe, wohin er aufgrund seiner Weigerung den Schnurrbart abzunehmen hinbeordert wurde. Es flog also vom Juli 1968 bis Juli 1969 wöchentlich ein Liebesbrief über den Ärmelkanal. Die Sehnsucht war groß und endete in der Heirat am Valentinstag 14.02.1970 – eine Woche nach meiner Volljährigkeit – um von meinem Vater keine Unterschrift mehr zu benötigen. Leider war diese Liebe nicht alltagstauglich. Mein Mann stürzte sich in weitere Beziehungen und dann vom 3. Stock, was natürlich letal endete.»