Was war ich (und bin es nicht mehr)? Wer bin ich jetzt? Was möchte ich noch werden?
Hundert Menschen haben sich zusammen mit Mats Staub auf eine intensive Selbstreflektion eingelassen: im Spätsommer 2021 und im Frühjahr 2023 wurden sie beim Blick in den Spiegel gefilmt. Sie schauten auf zwei Momente in ihrem Leben und den Wachstumsprozess dazwischen. Der jüngste Teilnehmer war damals 9, die älteste Teilnehmerin ist nun 82 Jahre alt – alle denken auf ihre Weise über die Suche nach ihrem Platz in der Welt nach, schauen mit Sorge auf den Beginn eines neuen Lebensabschnittes oder blicken voller Stolz auf Erreichtes. Aus den einzelnen Realitäten entsteht in diesem Zwei-Jahresprojekt ein menschliches Panorama, das als Installation in der Bochumer Turbinenhalle präsentiert wird.
Dort sind während der Ruhrtriennale 21 die ersten Aufnahmen für Jetzt & Jetzt entstanden, während im vorderen Teil der Halle 21 – Erinnerungen ans Erwachsenwerden zu sehen war. Damals trugen alle eine Maske, es war unentschieden, wer Bundeskanzler:in werden würde und Kyiv war kein Kriegsschauplatz. Während der Ruhrtriennale 23 wird die Turbinenhalle zum Raum der Reflektion, in dem alle Besucher:innen eingeladen sind, den Gesprächsaufnahmen und lebensgroßen Videoportraits in ihrem eigenen Tempo zu begegnen. Jetzt & Jetzt ist eine einzigartige Momentaufnahme, die es ermöglicht, zwei Gegenwarten eines Menschen im Dialog zu erleben und dabei sich selbst und unsere Gesellschaft zu befragen.
Presse
«Mats Staub ist der Zauberer der Empathie, er erfindet immer wieder Langzeit-Interview-Projekte, in denen er es schafft, dass wildfremde Menschen in Videos viel von sich preisgeben. Man hört von zerstobenen Träumen, von 1000 Ideen für die Zukunft, alle sind gelassen, offen, ehrlich. Und man denkt über sich selbst nach. Was in den vergangenen zwei Jahren passierte. Ist man selber noch derselbe? Sieht man sich noch ähnlich? Welche Träume hatte man selbst? Staub erschafft ein grandioses Gesellschaftstableau, unaufgeregt und wundervoll wahr, weil es nicht mehr will, als Menschen Menschen sein zu lassen.»
Süddeutsche Zeitung, Egbert Tholl, 1. September 2023
«Die Interviewten zwischen neun und achtzig Jahren treffen sich selbst wieder, blicken auf zwei nebeneinander gestellten, senkrechten Großbildschirmen dem früheren Ich ins Gesicht–und es kommt zu Tränen, Erschrecken, Freude, einer tiefen Berührung, die auch den Zuschauer in existenzielle Fragen wirft. Was bleibt von mir, und kann ich überhaupt Einfluss nehmen? Was wird aus meinen Sehnsüchten? Bin ich Autorin des eigenen Schicksals? Babys wurden geboren, Trennungen und trotzige Abnabelungen geschahen, schwere Krankheiten überwunden, Tore zur Weisheit aufgestoßen. Und auch wenn das Leben in dieser Zeit vermeintlich eher undramatisch verlief, ist eben doch Wesentliches darin geschehen. Auf zarte, beeindruckende Weise vermittelt Mats Staub, wie sehr Universelles und Banales, Existenzielles und Alltägliches ineinander aufbewahrt liegt.»
Theater heute, Dorothea Marcus, 11/2023
«Wann trifft man mal auf eine jünger Version von sich selbst? Bei dieser ungewohnten Begegnung laufen Tränen, hier ein Schlucken oder tiefes Durchatmen, da ein liebevoller Blick. Manchmal möchte man näher herangehen, dann wieder braucht es Abstand, zu gross und zauberhaft ist diese Begegnung der beiden Ich’s, der wir da zusehen dürfen. (…) Mats Staub hat stundenlang zugehört und sorgsam ausgewählt, so gelingt es ihm, kleine und grosse Entwicklungen nachzuzeichnen. Dabei lenkt er unseren Blick durch das Schneiden und Zusammenfügen der Stimmen und es ergibt sich ein Wimmelbild von Gesellschaft, gleichzeitg ein tiefer Einblick in das Leben der Einzelnen. Etwa vierzig Besucher können gleichzeitg durch die Turbinenhalle wandern, und obwohl man nicht allein ist, wird der Fokus auf das eigene Leben gelenkt, während man sich einen Weg durch die Biographien der anderen bahnt. Ein Ticket gekauft, gilt es vier Wochen lang, damit man zurückkommen kann zu den Menschen auf den Bildschirmen, und durch sie immer wieder auch sich selbst neu begegnet.»
Deutschlandfunk Kultur, Elisabeth Luft, 24. August 2023
Credits
Idee, Konzept, Leitung: Mats Staub
Video Design: Benno Seidel
Szenografie: Louisa Robin
Technische Leitung: Hanno Sons
Projektentwicklung: Elisabeth Schack, Matthias Stickel
Dramaturgie: Simone von Büren, Frederieke Tambaur (2021), Nina Bade (2023)
Gespräche: Mats Staub, Nina Bade (2023)
Kamera: Benno Seidel, Stephan Komitsch (2023)
Tonbearbeitung: Leonardo Nerini
Postproduktion Video: Benno Seidel
Produktionsleitung: Nina Bade (2021), Katharina Rückl (2023), Barbara Simsa
Produktion: Ruhrtriennale in Koproduktion mit zwischen_produktionen