Sankt Georgenthal, 28. Januar 1894

«Ihre Reize, noch mehr aber die vortrefflichen Eigenschaften Ihres Herzens haben mir die zärtlichste Liebe gegen Sie eingeflösst und, falls Sie meinen Wunsch, mit Ihnen näher bekannt zu werden, billigen, werde ich mir nichts so sehr angelegen sein lassen, als mich Ihrer Freundschaft immer würdiger zu machen.»

Brünn, 01. Februar 1894

«Geehrter Herr! Ihr Schreiben, welches mich theilweise überraschte, hat mich sehr gefreut, und erlaube mir selbes zu beantworten, um Ihnen diesbezüglich meine Ansicht mitzutheilen..»

Sankt Georgenthal, 04. Februar 1894

«Ich entstamme einer in meiner Vaterstadt sehr angesehenen Familie – meine Eltern sind dort im Besitze zweier Häuser & eines gutgehenden Manufacturgeschäftes; Sie werden nun fragen, warum ich dann reise; ganz einfach deshalb, weil ich außer meinen noch rüstigen Eltern 2 Schwestern im Geschäft thätig habe. Es wäre unschicklich, wenn ich selbst über meinen Charakter Lobeserhebungen machen wollte, dessen aber kann ich Sie versichern, dass Sie über die Zweifel betreffs des Bietens von Abwechslung & Gelegenheit in meinem Berufe ganz beruhigt sein können; denn da bin ich viel zu viel Mann um nicht zu wissen, was ich thue.»

Brünn, 11. Februar 1894

«Nachdem Sie mich mit Ihren Verhältnissen vertraut gemacht, will ich Ihnen auch die meinen nicht verbergen. Bin aus einer anständigen, doch nicht sehr vermögenden Familie. Sie verzeihen, wenn ich diesen Punkt erwähne, doch ich erachte es als meine Pflicht Sie darüber in Kenntnis zu setzen, um spätere Unannehmlichkeiten zu vermeiden, da die Männerwelt nur stets großes Vermögen beanspruchen, Sie in diesem Falle verzichten müssten u. sich mit einer bescheidenen Mitgift begnügen. Werde Ihnen jedoch dies nie für übel nehmen wenn Sie als Geschäftsmann höhere Ansprüche erheben.»

Trutnov, 22. Februar 1894

«Falls Sie morgen Freitag in Besitz meines Schreibens gelangen, so erbitte mir sofortige Rückantwort nach Leitomischl ‹Hotel Bida›, ob Ihnen mein Besuch angenehm wäre & wo wir uns eventuell treffen könnten. Bitte mir daher einen Ort unserer Zusammenkunft zu bezeichnen, da ich mich vorerst mit Ihnen allein aussprechen möchte..»

Brünn, 23. Februar 1894

«Sie hegen den Wunsch mich allein zu sprechen, auf offener Straße wird dies wohl nicht möglich sein, da ich mich nicht gerne dem Gerede der Leute preisgeben möchte, so erlaube ich mir Ihnen den Vorschlag zu machen d.h. wenn es Ihnen angenehm ist, mich in der Wohnung aufzusuchen, wozu ich mir die Erlaubnis von meinen Eltern erbeten – will es Ihnen jedoch freistellen, falls es Ihnen angenehmer wäre, mich außer Haus zu treffen, so bitte mir Ort u. Zeit zu bestimmen, da ich nicht weiß, wann es Ihnen möglich ist abzukommen.»

Brünn, 04. März 1894

«Nun muß ich Sie nochmals ersuchen, von mir keine schlechte Meinung zu haben – dass ich Sie zu uns geladen, sollte nur den Zweck erfüllen, um uns gegenseitig auszusprechen, und dies doch auf keine andere Weise möglich war, nachdem es doch höchst unschicklich gewesen wäre, wenn wir allein herum gegangen wären, und wie ich Ihnen schon erwähnte meine Freundin verhindert war, folglich mir kein anderer Ausweg übrigblieb.»

Sankt Georgenthal, 08. März 1894

«Was das Einladen anbelangt, so machen Sie sich, meiner Ansicht nach, denn doch zu viel Gegenvorstellungen & glaube ich, Ihr kleines Köpfchen wieder zurechtzusetzen, wenn ich Ihnen sage, dass es mich sogar sehr angenehm berührt hat und mir die Zeit viel zu schnell verlaufen ist; ich hätte gewünscht, der Nachmittag dauere ewig. Wenn Sie wüssten, wie oft sich meine Gedanken mit Ihnen beschäftigen und mit welcher Sehnsucht ich die Feiertage herbeiwünsche? Ich glaube schon heute mit Bestimmtheit sagen zu können, dass ich mir erlauben werde, Sie Ostern zu besuchen um mir das Jawort von Ihnen sowie Herrn Eltern zu holen.»

Brünn, 11. März 1894

«In ersteren Brief ersuchen Sie mich um meine Photografie – würde Ihnen selbe nicht verweigern, doch bin ich momentan in Verlegenheit, da ich nur im Besitze eines Bildes bin, wo ich mich vor zwei Jahren aufnehmen ließ, folglich Ihnen selbes nicht einsenden kann, da ich nicht in verjüngter Auflage erscheinen will; bitte jedoch dessen ungeachtet mir Ihr Bild zu senden, womit ich Ihnen die Versicherung gebe, dass ich nicht verabsäumen werde mich zu revanchiren, da ich doch dessen überzeugt bin, dass sie selbes in Ehren halten werden, denn durch Ihr letztes Schreiben haben Sie mich vollends des Misstrauen beraubt u. Sie werden von nun an nie mehr Ursache haben mir diesbezüglich zu zürnen.»

Sankt Georgenthal, 18. März 1894

«Nun meine liebe Flora, nur noch 6 Tage und ich soll das Glück haben, Sie wiederzusehen, von welch letzterem ich mein ferneres Wohl abhängig mache. Zürnen Sie daher nicht darüber, dass ich es wage, Ihnen das zu schreiben, was ich eigentlich hätte mündlich sagen sollen. Das Letztere hatte ich mir zwar schon bei meinem jüngsten Besuche vorgenommen, aber eine vielleicht ungerechtfertigte Zurückhaltung machte mich stumm, so oft ich reden wollte.»

Brünn, 21. März 1894

«Daß es nicht Ihre Absicht war, mich so lange ohne Schreiben zu lassen, zweifelte ich nicht in geringsten, denn ich setze ja das vollste Vertrauen in Sie, u. würde mich darüber auch von niemandem beeinflussen lassen, womit ich Ihnen hiemit erkläre, dass ich Ihren Antrag genehmigend nicht abgeneigt bin, Ihre Gattin zu werden, doch nur in dem Falle wenn es auch der Wunsch Ihrer werthen Herrn Eltern ist – wenn Sie mir daher gestatten würden an Ihre werthen Herrn Eltern zu schreiben, u. diese gewillt sind, mich in die w. Familie aufzunehmen so soll unserem häuslichen Glücke nichts im Wege steh’n.»

Brünn, 01. April 1894

«Übersende Ihnen gleichzeitig unser Bild zur gefälligen Ansicht, und bitte mir darüber Ihr Urtheil bekannt zu geben – meiner Ansicht nach finde ich dass Sie sehr gut getroffen sind, mich selbst zu beurtheilen will ich Ihnen überlassen. Habe auch das Bild Frau Fritz gezeigt welche es gelungen findet. Nun muß ich Ihnen auch mittheilen, dass bereits meine Eltern Mitwissende sind, habe nämlich Anni in’s Vertrauen gezogen, welche mich jedoch in ihrem Übermut verrathen hatte. Sie können sich denken, dass dies nicht so glatt abgelaufen ist.»

Komotau, 2 Uhr Mittag [Telegramm], 02. April 1894

«Warum noch keine Antwort
bin untröstlich»

Komotau, 03. April 1894

«Nach langem Warten, Auflaufen von Vermuthungen, Hin- und Hergrübeln, qualvoll verbrachten Stunden u.a.m. empfange ich endlich heute früh Ihr liebes Schreiben, auf welches ich so sehnlichst gehofft habe, –
Jawohl gehofft habe und wie gehofft, weil es mir das Bild meiner lieben, theueren Braut bringen sollte, ohne welche zu leben für mich den Tod bedeuten würde.»

Brünn, 19. Oktober 1894

«Nachdem ich nicht bestimmt wusste ob Dich diese Zeilen noch in Sankt Georgenthal antreffen würden, hatte ich vorgezogen nach Hohenelbe zu schreiben um selbes sicher in Deine Hände zu gelangen. Es betrifft die Angelegenheit unserer Hochzeit; Herr Wulfian ließ mir sagen es wäre Ihm sehr angenehm wenn die Trauung Mittwoch vollzogen werden könnte, da er Donnerstag in kirchlicher Angelegenheit nach Prag noch mit einem Priester fahren muß, bleibt daher nur der Kaplan zurück dem er die Trauung nicht gerne überlässt. So ließ ich Ihm sagen dass es Mittwoch sein kann und glaube auch in Deinen Sinne gehandelt zu haben, da doch ein Tag nicht in die Wagschale fällt, bekommst halt einen Tag vor Deinen Geburtstag ein Weiberl.»

Gelesen von:

Almut Mölk und Felix Holzmair

Gesamtdauer:

24′50′′

Kommentar der Enkelin von Flora und Wenzel (2006):
«Da mein Großvater beruflich ständig auf Reisen war, wurde eifrig korrespondiert, und so ist eine vollständige Dokumentation vom ersten Kennenlernen bis zur Hochzeit entstanden. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß sich mein Großvater für seinen ersten Brief eines Briefstellers bedient hat. Im ‹Wiener Sekretär› (Wien: Gerold 1826) ist auf S. 434 ein Musterbrief abgedruckt, der – etwas modifiziert – als Vorlage gedient haben dürfte.»