Leoben, 03. Oktober 2001

«Du möchtest dorthin gehen, wo dir deine Liebe den Weg zeigt. Ich möchte nichts anderes. Nur ist mein Lebensschatten lang gewachsen und so groß, dass ich einfach nicht weiß, wann, und ob ich überhaupt jemals aus ihm heraustreten kann. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst: Aber ich fühle mich momentan trotz Barbara wahrscheinlich ähnlich einsam wie du. Ich bin so von dir bestimmt, mein Denken ist so von dir vereinnahmt, dass alles andere wenig zählt. Ich kann keinem davon erzählen, und was ist das anderes als Einsamkeit?»

Leoben, 19. Januar 2002

«das ist brutal, wenn ein gespräch so unterbrochen wird. aber du weißt warum. doch zurück zum thema: die gesellschaft und wir zwei. die außensicht, wie sie sich für mich darstellt: ein älterer herr reißt sich eine junge frau auf. aus der sicht deiner mutter: die li ist einem älteren herrn hereingefallen. natürlich stimmt für uns keine sicht.»

Leoben, 05. Februar 2002

«danke nochmals für deinen rettenden anruf. ich schicke dir dafür ein mail das im all verlorenging, von dem du nur mündlich erfahren hast und das in deiner dokumentation fehlt. das augenzwinkern ist jetzt natürlich völlig verloren gegangen, aber ich weiß, das mail freut sich auf seine brüder und schwestern, wenn es in der mappe unterschlupf finden wird. dieser unterschlupf würde auch mir gefallen.»

Leoben, 11. Februar 2002

«ich weiß nicht, wie ich beginnen soll, so einen brief habe ich noch nie geschrieben, mir tut alles weh und ich bin im kopf nicht richtig beisammen. This ist the end.»

Leoben, 10. März 2003

«jetzt ist nacht
und blut
aus der wunde
die ich dir schlug.»

Leoben, 22. April 2003

«erst heute ließ ich mir die fotos von dir reproduzieren. das elend sprang mich sogleich wieder an, dass ich nur so durch den tag taumelte. auf dem foto in der bar von san daniele schaust du, als ob du schon alles ahnen würdest, während du mir am schlösslfoto verschmitzt in die kamera blickst. ich bin jedenfalls zerrissen. und daran bist du absolut nicht schuld. dass ich so eine liebenswerte frau wie dich kennenlernen durfte, dafür werde ich immer dankbar sein, dafür werde ich aber auch mein leben lang büßen.»

Gelesen von:

Klaus-Peter Steppi

Gesamtdauer:

14'19''

Begleitschreiben von Liliane (2006): «Ich (36) lernte HP (53) auf einer kunstgeschichtlichen Studienreise kennen. Schnell entstand so etwas wie Sympathie. Am Ende der Reise tauschten wir die Adressen aus. HP war aber überzeugt, dass wir uns kaum mehr wieder sehen werden. Zum Zeitpunkt unseres Kennenlernens war HP mit Barbara verheiratet. Wider Erwarten entstand zwischen uns eine intensive e-mail Kommunikation und es kam wie es kommen musste, wir wollten uns Wiedersehen. Wir trafen uns bei einer Vernissage eines gemeinsamen Bekannten. Für mich begann damals etwas, was ich am ehesten mit dem Adjektiv 'besessen' beschreiben könnte. Wir konnten nicht mehr von einander lassen und das bis zum Jänner 2005. Zu Beginn war ich seine heimliche Geliebte, dann verließ er seine Frau, dann verließ er mich. Dieses Wechselspiel wiederholte sich insgesamt viermal. Zurzeit lebt HP alleine, hat aber wieder die Beziehung zu seiner Frau aufgenommen. Ich bedaure es zutiefst, dass er seit seinem Abschiedsgeschenk – einem 10 kg schweren, wunderschönen Kunstführer – keine Zeile und kein Wort mehr für mich übrig hat. Ich habe ihn bis in meine tiefste Stelle geliebt. Ich spüre aber heute genau, dass diese Liebe vorbei ist und würde gerne auf einer anderen Ebene wieder mit ihm kommunizieren. Leider lehnt er das ab. Seit mich HP verlassen hat, lebe ich alleine und spüre, dass es mir gut tut.»