21–Erinnerungen ans Erwachsenwerden
In welchem Jahr bin ich 21 geworden? Was hat sich in diesem Jahr ereignet? Wie bin ich erwachsen geworden?
Im Langzeitprojekt 21 erzählen Menschen vom Jahr, in dem sie 21-jährig waren und sprechen darüber, wie sie erwachsen geworden sind. Die Videoinstallation porträtiert die Erzählenden als Hörende ihrer eigenen Erinnerung und spannt als Sammlung individueller Lebensgeschichten einen Bogen über Generationen und Sprachregionen.
Die Porträts entstanden in mehreren Schritten: In einer ersten Begegnung traf Mats Staub die Teilnehmer:innen zu einem rund einstündigen Gespräch, das nur mit einem Mikrofon aufgezeichnet wurde. In der Folge formte er aus der Audioaufnahme eine Erzählung, wobei er seine eigenen Beiträge herausschnitt und die Chronologie des Gesprächs auflöste. Diese editierte Version spielte er den Teilnehmer:innen gut drei Monate später vor und dabei wurden sie gefilmt, im Hochformat, vor schwarzem Hintergrund sitzend. Nach dem Hören konnten sie darauf reagieren und Auschnitte aus dem folgenden, kürzeren Gespräch beenden das Portrait.
An nahezu jeder Station, an der 21 präsentiert wurde, hat Mats Staub im Vorfeld vor Ort Gespräche geführt; die Suche der Teilnehmer:innen erfolgte mit Hilfe der veranstaltenden Institution in der jeweiligen Stadt. So erweiterte sich das Langzeitprojekt von Ort zu Ort und wurde über die Jahre zu einer Galerie des vergangenen und des gegenwärtigen Jahrhunderts: an 26 Drehorten in Europa, Afrika und Australien entstanden gut 200 Portraits auf Deutsch, Schweizerdeutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Eine Auswahl ist online zugänglich.
In der Installation sind die Portraits auf hochformatigen Monitoren nach den erzählten Jahren chronologisch angeordnet und die Besucher:innen wählen, wo sie sich setzen und welchen Geschichten sie mit Kopfhörern folgen wollen. Jedes Portrait lässt sich per Knopfdruck ansteuern, aber innerhalb dessen kann nicht vor- oder zurückgespult werden.
Für jede Präsentation stellt Mats Staub eine ortsspezifische Anzahl Videos zusammen. Die mobile Szenografie von Monika Schori bestand zu Beginn aus 15 Monitor-Stelen und Bänken für jeweils zwei Personen; ab 2017 war ein zweites Set mit 21 Stationen auf Tournee; für die Präsentationen im Kongo wurde eine VR-Brillen-Version entwickelt, bei der die Portraits mit Augensteuerung angewählt werden konnte. Für die Ruhrtriennale 2021 ist erstmals auf 50 Monitoren eine vollständige Edition gezeigt worden, bei der von 1939 bis 2020 für jedes Jahr ein Portrait oder mehrere zu sehen war, mit einer Gesamtspieldauer von 45 Stunden.
Ruhrtriennale 2021 | Videoeinführung
Presse
«Stundenlang kann man sich in diese berührende Installation versenken, mitweinen, mitdenken, spüren, wie in jedem banalen Menschenleben die Dramatik der ganzen Welt verborgen liegt, kondensiert in einem einzigen Lebensjahr.»
Theater heute, November 2021
«I felt there was one artistic work at the Ruhrtriennale that connected to humanity–and it wasn’t in a theater. Over the past decade, the Swiss artist Mats Staub has conducted hundreds of interviews with individuals of various ages and backgrounds for 21–Memories of Growing Up, which has been installed in a turbine hall in Bochum. Spread over 50 different stations, the video interviews provide varied reflections on maturity, independence and happiness. The project feels like an archive of human strivings and the possibility for rebirth.»
New York Times, 27.08.2021
«21 is insightful and poignant; there's something calming and touching about the humanity common to all the interviewees, whether discussing political activism during the Cold War or falling in love for the first time, there's the same sense of quiet, tender nostalgia flickering across their faces. It's why choosing to film the participants listening to their recollections, as opposed to actively describing them, is a genius touch. It seems that we're more similar than we think; no matter where we come from, the memories we hold closest to us as we age are ones of love, family and the early formations of identity.»
The Skinny, 19.08.2019
«Watching these strangers grapple with their memories, and how to construct their own narratives, you think of the story you would tell: where were you when you turned 21? What kind of person were you? And which words would you use to describe that? At its most basic, the work questions the concept of adulthood, as it’s experienced around the world and across history, and how it’s changed over time. (…) I spent four hours in the exhibition, and I could have spent four more, it’s addictive.»
The Guardian, 12.03.2018
«Verblüffende Momente der unmittelbaren Berührtheit und ‹Choreografien› der Mimik: Mats Staub, der bereits zweimal bei den Festwochen zu Gast war, erarbeitet mit seinen zahlreichen Projekten eine künstlerische Anthropologie, die so von der Wissenschaft nicht geleistet werden kann. Wiederholte Besuche dieser fabelhaften Arbeit lohnen sich. Garantiert.»
Der Standard, 18.05.2015
«Der Künstler unterhält sich jeweils rund eine Stunde lang mit seinem Gegenüber. Im Tonstudio verdichtet er die Aufnahme auf eine Länge von rund acht Minuten. Diese Version spielt er dann dem oder der Befragten vor und filmt sein/ihr Gesicht während des Zuhörens. Diese ausgesprochen raffinierte Kombination aus komponierter Erzählung und Gesichtsausdruck als Reaktion darauf erleben die Besucher in der Videoinstallation. Sie sitzen auf Zweierbänken relativ nah vor dem Monitor, hören über Kopfhörer die Stimme–und fühlen sich, als spräche die Person direkt zu ihnen. (…) In etlichen Porträts spielt das Zeitgeschehen eine wichtige Rolle, etwa bei Herrn Meier, dessen 21. Geburtstag just auf den Tag im Jahr 1982 fiel, an dem das Autonome Jugendzentrum Zürich (AJZ) geschlossen wurde–oder bei Frau Krcunovic. Die serbische Schauspielerin beschreibt die Bombardierung Belgrads von 1999 wie eine Komödie, ihr Gesichtsausdruck beim Zuhören lässt jedoch den Schrecken jener Zeit erahnen. Das ist nur einer von vielen Momenten, die einen als Betrachterin so stark berühren, dass man noch lang an diese Videoinstallation denken wird.»
Neue Zürcher Zeitung, 24.03.2014
«Der inhaltlich überwältigenden Inszenierung wohnt ein Zauber inne, der unweigerlich an Harry Potter erinnert. Staub hat ein simples Setting gewählt, fast klassische En-face-Brustbilder vor schwarzem Hintergrund. Nur sind hier die Gesichter nicht in würdevoller Miene erstarrt. Der Raum lebt, aus den unbenutzten Kopfhörern dringen leise die Stimmen der Erzählenden, und auf den Bildschirmen leuchten Gesichter, buchstäblich bewegt–von den Emotionen über die eigene Erzählung. Im Gegensatz zu den Bildern in den Gängen des Zauberschlosses Hogwarts sind es aber zuhörende Gesichter, den Blick oft nach innen gewandt. Ganz unterschiedlich erleben die Protagonisten ihre eigene Erinnerung, die ihnen ab Band vorgespielt wird. Manchmal aufmerksam, aber– zumindest äusserlich–gänzlich unbewegt, manchmal mit einem Schmunzeln über sich selbst vor drei Monaten, vereinzelt auch überwältigt und in Tränen über den Bericht eines schweren Lebens. Am häufigsten aber reagieren sie mit zustimmendem Nicken oder bestätigenden Kommentaren. Als wäre es jemand anders, der da die eigene Lebensgeschichte erzählt, eine Geschichte, die man darum auf Richtigkeit prüfen müsste. Und hier beweist Staub auch, wie unzuverlässig das Gedächtnis ist: Man erzählt in Details von einem weit zurückliegenden 21. Lebensjahr und ist später überrascht, was man vor drei Monaten darüber gesagt hat.»
Der Bund, 08.09.2013
Stationen
2021 |
Bochum |
Ruhrtriennale, Vollständige Edition |
2020 |
Dresden |
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2019 |
Madrid |
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Strasbourg |
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München |
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Kinshasa |
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Paris |
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Edinburgh |
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Lubumbashi |
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2018 |
Frankfurt |
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Mannheim |
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Weimar |
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Fribourg |
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Lausanne |
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Adelaide |
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2017 |
Bloemfontein |
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Zürich |
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Johannesburg |
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Cape Town |
D6 Museum / Encounters–South African International Documentary Film Festival |
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2016 |
Basel |
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Groningen |
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Freiburg |
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2015 |
Wien |
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2014 |
Basel |
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Weimar |
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Zürich |
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2013 |
Stuttgart |
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Bern |
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Hannover |
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2012 |
Frankfurt |
Credits
Konzept, Leitung |
Mats Staub |
Szenografie |
Monika Schori |
Kamera |
Matthias Stickel, Benno Seidel, Sifiso Khanyile |
Ton |
Andrea Brunner, Mandla Nkuna |
Mitarbeit Recherche |
Olivia Ebert, Sandra Li Maennel (Frankfurt), Wolfram Sander (Hannover), Nadine Tobler (Bern, Zürich), Edin Omanovic (Belgrad), Jenny Flügge (Weimar), Franziska Jenni (Basel), Elisabeth Schack (Wien), Abby Middleton (Brighton), David Tushingham (Woodchurch), Inga Wagner (Freiburg), Maia Marie, Nomonde Mbusi (Johannesburg) Milou de Boer (Groningen), Simon Hildebrand (Lausanne), Kate Hillgrove (Adelaide), Patrick Mudekereza, Jackson Bukasa (Lubumbashi), Dada Kahindo (Kinshasa), Anouk Werro, Varun Xavier Kumar (Fribourg), Alexandra Reich (Mannheim), Selina Losa, Alex Foulkes (Madrid), Celya Larré (Paris), Callum Madge (Edinburgh), Elise Baptiste-Voisin (Strasbourg), Judith Hellmann, Dana Bondartschuk (Dresden), Katharina Flick, Juliane Graf (Ruhrgebiet) |
Technik |
Hanno Sons, Stefan Goebel |
Produktionsleitung |
Barbara Simsa, Elisabeth Schack |
Übersetzung, Untertitelung |
Nathalie Rouanet, Françoise Guiguet, David Tushingham, Barbara Simsa, Simona Weber, Matthias Stickel |
Produktion |
zwischen_produktionen |
Koproduktion |
Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt, Festival Theaterformen Hannover, Museum für Kommunikation Bern, Gessnerallee Zürich, Kunstfest Weimar, Kaserne Basel, Wiener Festwochen, Theater Freiburg, Noorderzon Festival Groningen, Adelaide Festival, Théâtre Vidy Lausanne, Centre d'Art Waza Lubumbashi, KinArt Studios Kinshasa, Festival Belluard Bollwerk International, Nationaltheater Mannheim, Centro Conde Duque Madrid, Maillon Théâtre de Strasbourg Scène Européenne, Hellerau Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Ruhrtriennale |
Unterstützung |
Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung, Ernst Göhner Stiftung, Migros-Kulturprozent, Stadt Zürich Kultur, Kanton Zürich Fachstelle Kultur |