Audio-Besichtigung
Metzgergasse 2011 | Trailer
Die unmittelbare Nachbarschaft eines Theaters–eine malerische Altstadtgasse oder ein vielbefahrener, urbaner Platz–werden zur Ausstellung erklärt und die Besucher:innen erhalten dazu einen Audio-Guide: Damit können sie unter den jeweiligen Hausnummern Geschichten von dortigen Bewohner:innen oder Geschäftsführer:innen hören. Ganz unterschiedliche Lebensgeschichten, Generationen, soziale Hintergründe und Perspektiven treffen aufeinander, wobei die zahlreichen Erzähler:innen über den gemeinsamen Wohn- oder Arbeitsort verbunden sind.
Mats Staub entwickelte das Format Audio-Besichtigung 2011 in Bern an der ehemaligen Metzgergasse, die heute Rathausgasse heisst, weil sie unter dem ursprünglichen Namen schweizweit als Rotlichtbezirk bekannt gewesen war. Über mehrere Monate wohnte er vor Ort in der Künstlerwohnung des Schlachthaus Theaters, kaufte in der Gasse ein, trank da seinen Morgenkaffee und lernte nach und nach Anwohner:innen und Geschäftsinhaber:innen kennen. Die Gespräche wurden jeweils im Domizil der Teinehmer:innen geführt und dauerten zwischen einer und fünf Stunden. Diese editierte er zu Erzählungen, wobei sich insgesamt rund sieben Stunden von über vierzig Menschen ergaben. Dramaturgisch wurde kein Ablauf vorgegeben, die Besucher:innen konnten selber entscheiden, wo sie anfangen, wie sie sich durch die Gasse bewegen und wessen Geschichten sie wie lange anhören wollten. Die einen begannen gleich neben dem Schlachthaus Theater vor der Auslage der Pferdemetzgerei, andere liefen zuerst hoch in Richtung der als verrucht geltenden Tübeli-Bar, um dann doch schon beim Buchantiquariat Wild hängenzubleiben; wieder andere setzten sich irgendwo auf die Treppenstufen und überblickten die Gasse als Ganzes.
2012 folgte eine Audiobesichtigung in der Nachbarschaft des Luzerner Kleintheaters am Bundesplatz, einem vielbefahrenen Durchgangsort mit einem Toilettenhäuschen als verlorenem Zentrum. Auch hier konnten sich die Besucher:innen individuell mit einem iPod bewegen, beim Erdem Kebab, vor dem als 'Banane' bezeichnetem Hochhaus, beim Fotostudio Pfaff oder vor den vergitterten Fenstern des Serbischen Kulturvereins verweilen und den editierten Originalstimmen der Menschen zuhören, die dort lebten oder arbeiteten.
Metzgergasse 2011 wurde zwei Jahre später als Metzgergasse 2011/13 weiter entwickelt, wobei die Erzählungen von 2011 zusammen mit neu aufgenommenen präsentiert und somit die Veränderung der Gasse deutlich wurden: Der Peep Store war inzwischen geschlossen, Coiffure Walter musste einer Bierbar weichen, im 2011 bereits geschlossenen Restaurant Alte Post wurden nun Kleider gereinigt. Die Audio-Besichtigung machte direkt erfahrbar, wie Geschichten und Orte verschwinden und neue dazukommen, wie unterschiedlich eine Gasse über die Zeit klingt.
Presse
«Die Vielseitigkeit der ehemaligen Metzgergasse hat Mats Staub in schillernden Porträts eingefangen. Es ist, als würde man im Lärm landender Flugzeuge auf einmal ein Flüstern vernehmen. Es sind Stimmen vergangener Zeiten, die bei genauem Hinhören ihre Geheimnisse offenbaren, von Alltag, von Leid und Freude, und so die Gasse zur lebendigen Bühne werden lassen.»
DRS 2, 10.06.2011
«Mit dem iPod auf Entdeckungsreise»
Reportage zu Metzgergasse 2011
Berner Zeitung, 09.06.2011
Credits
Idee, Konzept, Leitung: Mats Staub
Mitarbeit: Evelyne Zinsstag (Bern), Nadine Tobler (Luzern)
Programmierung iPods: Erik Thurnherr
Produktionsleitung: Judith Rohrbach
Unterstützung: KulturStadtBern, Kanton Bern, Migros-Kulturprozent (Metzgergasse); Fuka-Fonds Stadt Luzern, Kanton Luzern, Ernst Göhner Stiftung, Kopp Maus Stiftung, Migros-Kulturprozent, Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (Bundesplatz)