Freddy, Pörtschach, 11. July 1960

«Ich habe eine Bitte an Dich: schreibe mir recht oft. Es hilft mir, mich für das Bier und weniger für die Weiber zu entscheiden. Also, überwinde Dich bitte und schreibe mir 3 Mal einen Brief, wenn Du 1 Mal einen von mir bekommst.»

Freddy, Judenburg, 25. October 1960

«Sei bitte nicht so verkühlt am Wochenende. Ich muss mich langsam wundern, warum Du immer Schnupfen hast, wenn ich Dich sehen will. Jedenfalls werde ich mich dagegen rechtzeitig immunisieren. Im Marcello zum Beispiel, dort gibt es Bardamen mit ungeheuren Brüsten. Kann ich jetzt wenigstens mit Deiner Neugierde rechnen?»

Freddy, Judenburg, 03. November 1960

«Ich möcht so gern mit Dir auf den Schlossberg gehen, runterschauen auf Graz und aus all den Lichtern das Babylon bauen, größer, schöner, reicher als es jemals war. Vielleicht darf ich Dich dann küssen, wenn wir es fertig gebaut haben. Lass Dir daher nicht ein anderes Bauwerk einfallen, das mich wieder davon abhalten soll.»

Freddy, Ende der Welt, 10. December 1960

«Ich hoffe, dass Du Dir nichts, gar nichts, mit anderen Knaben auf der Hochschule ausmachst, denn Montanisten sind gefährliche Schläger. Möchte auch nicht wieder hören, wie Dir die Nase schon beim Telefonieren so Gott erbärmlich rinnt und Du wieder den mittlerweile berühmten Wochenende-Schnupfen hast.»

Freddy, Judenburg, 16. January 1961

«Liebstes Mädchen, ich nehme Abschied von unseren unzähligen, sinnlosen, glücklichen Fahrten auf den Plattformen aller 360-er, die zwischen Feldkirchen und Leibnitz verkehren, von den Sonnen-, Debattier- und Lesestunden am Tieberteich, die nicht verhindern konnten, dass aus Schülern Studenten wurden, von allen Spaziergängen auf dem Schlossberg, wo wir mit den Lichtern von Graz nicht nur Babylon erbauten. Ich muss die Erdzeiseln vergessen, mit denen Du lieber gespielt hast als mit mir, die Glühwürmchen in Deinen Gärten, die in Deiner Phantasie schöner blühten als die der Semiramis; von den weißen Segeln, die uns einmal nach Atlantis bringen sollten, aber auch von Ovid, Cäsar, Heraklit, Plinius und von Properz, dessen Sauf- und Hurenlieder niemand besser übersetzen konnte als Du, nehme ich mit schweren Herzen Abschied.»

Pierre, Ribeauville, 03. September 1961

«In Ribeauville gibt es nichts Neues, aber bestimmt am Wörther See. Sage mir, meine sehr liebe Liebe, was bedeutet ‹Nachsommer›? Wir kennen das Wort hier nicht, aber bei Dir klang Nachsommer wie eine Liebeserklärung. An wen war sie gerichtet? An mich? An einen Rivalen, mit dem Du jetzt in der Velden Bar tanzt, den Du nach dem Wettschwimmen tröstest, dem Du das Frühstück auf der Terasse servierst, der Dir beim Abtrocknen hilft, mit dem Du bei Vollmond die Wiese hinunterkugelst und der sich die Hose zerreißt, die nur Du wieder mit Deinem Lachen und Deiner Wärme flicken kannst? Meine sehr liebe Liebe, höre und lerne: es gibt nur den Sommer mit mir und keinen Nachsommer ohne mich. Streiche das Wort bitte aus Deinem Vokabular. Weißt Du noch, wie ich in glückseliger Trunkenheit eine Beule in das Auto meiner Mutter gefahren habe? Sie hat sie sofort bemerkt und mich dazu angehalten, den Job bei der Herbstmesse anzunehmen, um die Beule ausbeulen zu lassen. Ich mag mir nicht die Größe dieser Banalität vorstellen, eine Erinnerung an eine Sternfahrt mit Dir, in einer Garage beheben zu lassen.»

Dietmar, Linz, 06. September 1961

«Du gehst einen Sommer lang an den Wörther See, während ich mir am Hochofen in Linz das Gesicht verbrühe – keine Angst, der kleine Unfall schadet weder meinem Teint noch meiner Schönheit – tauchst in einem See einfach unter, um nach schweigsamen Wochen mit einer Geschichte von Krankheit und Zusammenbruch aufzutauchen, die ich glauben soll?»

Dietmar, Linz, 19. September 1961

«Damit Du weißt, was ich mir in meiner Wut antue, es ist 22.30 und ich sitze noch in der Unterhose (bestimmt ein schöner Anblick für viele Mädchen) und schreibe Dir nichtsnutzigem Wesen. Ich werde am 25.9. nach Graz kommen. Bis dahin befehle ich Dir, Deine Kräfte zu schonen, denn ich brauche sie.»

Christian, Long Island, 20. September 1961

«In 6 Wochen bin ich wieder in Graz. Weißt Du, was wir machen, wenn ich wieder da bin? Wir gehen zum Fatty George, denn ich habe genug Dollars, um die Matura-Uhr vom Vater auszulösen, und auch den goldenen Rubel von Deiner Großmama, und wir werden alles bezahlen können, was wir trinken und essen am Schlossbergplatz und auch alle Drinks, die wir wollen, im Scotch. Oder gehst Du lieber ins Thalia mit mir? Wir werden die Straßenbahn nach Mariatrost versäumen, weil wir die ganze Nacht durch Graz wandern und dann im Burggarten am Bankerl sitzen und uns festhalten in unserem Glück. Ich möchte Dich küssen, bitte glaube mir das, und bereite Dich darauf vor. Zwei Semester ertrage ich alle Deine Ausreden, Verweigerungen, Entziehungen, aber jetzt ertrage ich sie nicht mehr. Du bist mein heißgeliebtes Wesen, Dich bete ich an, Dir opfere ich jede Göttin auf Long Island und in New York, damit Du mich erhörst.»

Freddy, Graz, 22. February 1993

«Vor langer Zeit habe ich mutlos und ahnungslos eine Entscheidung getroffen. Jetzt will ich die konträre, aber eigentlich rückbezogen, was ein einigermaßen kindischer Standpunkt ist. Der Wunsch, mein Leben nochmals zu leben, ist das nicht, was ich meine, sondern es gleichzeitig zu leben – mein gehabtes Leben und mein verlorenes Leben mit Dir. Einigermaßen kompliziert, aber ganz einfach zu erklären: Ich liebe Dich und meine Frau! Sag nicht, das geht nicht, denn es geht wirklich nicht. Also, was geht im letzten Drittel des Lebens, wenn es überhaupt noch soviel ist?»

Read by:

Markus Schöttl, Florian Widhalm, Stefan Laczkowics und Sebastian Schack

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29'44''